Jo, is denn scho wieder Hurtigruten?

Um 7:45 läutet mein Wecker. Will ich wirklich schon raus? Ich schalte den Fernseher ein. "Strahlender Sonnenschein", versichert mir die Bordkamera! Also nichts wie raus und Harstadt in 30 Minuten angeschaut. An diesen Liegezeiten merkt man, dass es sich bei den Hurtigruten nicht um ein klassisches Kreuzfahrtschiff handelt, sondern traditionell um ein Postschiff. Post wird heute nicht mehr transportiert. In erster Linie werden natürlich Touristen befördert, die eine oder beide Strecken Bergen-Kirkenes mit dem Schiff zurücklegen, die Hurtigruten-Schiffe sind aber auch Fähre und wichtige Verbindung zu abgelegenen Ortschaften für Menschen, Autos und Güter.

Heute ist zwar der hinterste Winkel des Landes mit Flughäfen, Brücken und Tunnels erschlossen, die Hurtigruten werden aber immer noch viel im Nahverkehr genutzt.

Im Winterhalbjahr subventioniert der Staat den Betrieb, heute wurde der Vertrag um weitere 8 Jahre verlängert, die MS Trollfjord fährt deswegen mit voller Festbeflaggung.

Mit den Worten "Jo, is denn scho wieder Hurtigruten?" begrüßt mich ein Passant in Risoyhamn. Im ersten Moment denke ich: "Was macht der Kaiser hier?" Schnell wird klar, dass der Satz aus dem Mund eines deutschen Auswanderers kommt, der sich hier als IT-Dienstleister niedergelassen hat. In Norwegen laufen einem viele Deutsche über den Weg, nicht nur Touristen, sondern auch etliche, die hier leben. Die Gründe für ihr Auswandern sind meist dieselben: die Liebe zur Natur, die Offenheit und Freundlichkeit der Norweger, ein sicherer Job, wesentlich angenehmere Arbeitsbedingungen als in Deutschland und auch die (noch) funktionierenden Sozialsysteme.

Wir haben wieder Riesenglück mit dem Wetter- vor uns baut sich die Lofotenkette in ihrer ganzen Pracht auf, steile und schneebedeckte Berge, die sich direkt aus dem Meer erheben und bis zu 1.286 Meter hoch sind. Wow! Dazu kommt noch, dass der natürliche Kanal zwischen den Inseln Austvagoya (bis 1.054 Meter) und Hinnoya (1.286 Meter) teilweise gerade mal einen knappen Kilometer breit ist. Doppeltes Wow! Und dazu haben wir noch Sonnenschein. Dreifaches Wow!

Mitten in dieser schmalen Rinne legt ein Fischerboot an der MS Trollfjord an. Über das Autodeck verlassen einige Passagiere das Boot. Auch ich gehöre dazu, ich bin auf der Warteliste und darf mit. Mit? Wohin? Auf Seeadler-Safari. Hier gibt es noch etliche dieser Adler. Die Kinder des Fischerboot-Kapitäns locken etliche Möwen an, mit Brötchen und Fischen, die sie in die Luft werfen und die von den Möwen geschickt aufgefangen werden. Wenn erst einmal 50+x Möwen hinter einem Boot herfliegen, wird der Seeadler neugierig und stürzt sich mitten ins Getümmel. er ist zwar nicht viel größer als eine Möwe, aber noch schneller. Tatsächlich bekommen wir etliche Seeadler zu sehen. Schon toll, wie er pfeilschnell nach unten stürzt, um mit seinen Krallen einen Fisch aufzufangen. Es macht aber auch Spaß, den Möwen zuzusehen.

Der Kapitän steht mit Zigarette und Kaffee in der Kajüte und trotzt den Wellen, die immer höher werden. Leider zieht es immer mehr zu. Es wird kalt an Deck, extrem kalt - trotz langer Unterwäsche, Fleecepullover, -jacke und Anorak, trotz Mütze, Kapuze, Handschuhen und Gesichtsschutz. Kalt und nass, weil immer wieder die Gischt ins Boot spritzt. Dabei wird mir eines deutlich: Die Sony-Spiegelreflexkameras vertragen viel mehr als die alten Minolta-SLRs. So toll die Safari war, in Svolvaer suche ich erst mal eine Kneipe, da unser Schiff erst später kommt. Zwar ist noch Nebensaison, ein tolles Café mit Lounge direkt am Hafen, hat aber gottlob offen. Ich weiß nicht, wann mir ein Cappuccino zuletzt so gut geschmeckt hat... Pore für Pore taue ich wieder auf.

Eine Besichtigung von Stamsund spare ich mir, dort war ich schon bei der Hinfahrt, damals schien die Sonne, heute regnet es in Strömen. Stattdessen gehe ich lieber an Bord in die Sauna, um mich mal so richtig aufzuwärmen. Die Sauna ist oben auf Deck 9 mit Panoramafenstern. Unter den Saunen, die ich bisher kennenlernen durfte, rangiert die Hurtigruten-Sauna unangefochten auf Rang 1 beim Panorama.